Der Weg zur industriellen Nachhaltigkeit: Ein Interview mit Torsten Becker, CEO der Carbonauten GmbH

Torsten Becker, CEO of carbonauten GmbH

Persönlicher Werdegang und Engagement für Nachhaltigkeit

Bitte erzähl uns kurz etwas über dich selbst und deine Verbindung zum Thema "Industrielle Nachhaltigkeit".

"Als diplomierter Produktdesigner aus der Ära von 'Weniger ist mehr', was gut in den heutigen Kontext passt, habe ich immer die Notwendigkeit eines Produkts während seiner Entstehung hinterfragt - woher kommt es, wofür wird es verwendet und was passiert am Ende damit. Mein Credo über die Jahre war 'Materialien durch Wissen ersetzen'. Nach 25 Jahren Arbeit mit Hidden Champions der Technologiebranche und KMUs in Süddeutschland rückte meine Rolle als Vater von fünf Kindern zunehmend meine Verantwortung für ihre Zukunft in den Vordergrund. Ich konnte kein Teil der ungeprüften Globalisierung und ihrer zerstörerischen Verhaltensweisen bleiben. Der Wendepunkt kam 2013, als ich Christoph Hiemer traf, was zu meinem tiefen Eintauchen in Biokohle und der Gründung von carbonauten führte. Anfangs war es herausfordernd, Investorenunterstützung zu bekommen, aufgrund von Verwirrung über CO2 und Dekarbonisierung, was meine Überzeugung verstärkte, dass das nachhaltigste Produkt das ist, das gar nicht erst produziert wird. Diese Erkenntnis trieb mich dazu, für industrielle Nachhaltigkeit einzutreten."

Verständnis von Nachhaltigkeit in der Industrie

Was versteht man unter Nachhaltigkeit in der Industrie, und wo liegen die Unterschiede?

"Nachhaltigkeit ist ein flexibler Begriff, der oft missbraucht wird. Zum Beispiel installiert die Zementindustrie Direct Air Capture als eine Lizenz, wie gewohnt weiterzumachen. Echte Nachhaltigkeit würde massive Investitionen in Forschung und Entwicklung erfordern, um zementfreie Bindemittel zu entwickeln. Oder betrachten Sie Hersteller von Windturbinen und Photovoltaikanlagen - was passiert am Ende ihrer Lebensdauer mit Technologien, für die es keine übergeordneten Entsorgungslösungen gibt, außer als Sondermüll? Für mich sind daher wiederherstellende und insbesondere regenerative Systeme der Maßstab. Dennoch scheinen die Bemühungen unzureichend zu sein, da im letzten Jahr ein Anstieg der CO2-Emissionen um 3% zu verzeichnen war, was einen dringenden Bedarf an transformative Maßnahmen in der Industrie aufzeigt."

Praktische Anwendungen der Innovationen von Carbonauten

Wie sehen aktuelle Anwendungsfälle deines Unternehmens (carbonauten) in der Praxis aus?

"Wir nutzen holzige Biomasse-Reststoffe in einer material- und energetischen Kaskade und wandeln sie in Biokohle, Pyrolyseöl und Synthesegas in unserer ersten Wertschöpfungsstufe um. In der zweiten Stufe veredeln wir diese zu gebrauchsfertigen Halbfabrikaten: Biokohle-gefüllte Granulate für die Kunststoffindustrie, auf Biokohle basierende, pH-neutrale Granulate für die Landwirtschaft, Extrakte aus Bioölen für verschiedene Branchen, Synthesegas für die Grundlastenergieerzeugung, E-Kraftstoffe für Metallurgie und Bauwesen sowie CO2-Zertifikate für den freiwilligen Markt."

 Die entscheidende Rolle von Kohlenstoff in der Nachhaltigkeit

Inwieweit spielt das Thema Kohlenstoff für dich eine entscheidende Rolle?

"Alles, was wir tun, basiert auf (Bio)Kohlenstoff, und somit dreht sich das gesamte Geschäftsmodell darum."

Industrielle Bereitschaft und Investition in Nachhaltigkeit

Wie gut ist die Industrie darauf vorbereitet, sich ernsthaft mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen? Spürst du eine Bereitschaft zu Investitionen?

"Seit 2020 haben wir ein zunehmendes Interesse festgestellt, als die CO2-Bepreisung an Fahrt gewann. Doch trotz Unternehmen, die Nachhaltigkeit beanspruchen, sind wirkliche Durchbrüche selten. Die Bemühungen wachsen, aber vieles erscheint zögerlich und nicht konsequent genug. In Bezug auf Investitionen sehen einige Branchen erhebliche Mittel, insbesondere aus dem Ausland, während die Trägheit in den Investitionsabteilungen der deutschen Industrie eine breitere Visionlosigkeit widerspiegelt. Erfolgsgeschichten von Führungskräften wie Steve Jobs und Elon Musk verdeutlichen die Lücke, die durch einen Mangel an wissenschaftlicher und technologischer Führung entsteht."

Aussichtsreiche Technologien für Dekarbonisierung

Welche Technologien sind zukünftig am relevantesten für die Dekarbonisierung der Industrie?

"Technologien wie Aufforstung, Ozeanmineralisierung, Direct Air Capture und Biokohle werden von Instituten wie Mercator als relevant für die Dekarbonisierung angesehen. Aufforstung und Biokohle scheinen am effizientesten zu sein, da sie wirtschaftlich nutzbare Produkte produzieren und gleichzeitig CO2 effektiv binden. Dennoch benötigen wir viele Lösungen für dieses komplexe Problem, und die Natur bietet die besten Lehren durch ihre einfachen und effektiven Prozesse."

Zeitrahmen für die Erreichung einer nachhaltigen Industrie

Welchen Zeitrahmen betrachten wir, wenn wir über eine nachhaltige Industrie in Deutschland sprechen?

"Basierend auf vergangenen Erfahrungen sehe ich einen Zeitrahmen von mindestens 20 Jahren für eine bedeutende Transformation voraus. Diese Schätzung basiert auf dem Tempo, mit dem sich Veränderungen derzeit vollziehen, und der erwarteten Zeit, die die neue Generation benötigen wird, die stark von Klimafragen betroffen ist, um in Entscheidungspositionen aufzusteigen. Herausforderungen bleiben bestehen, insbesondere durch potenziell hinderliche politische Kräfte. Es besteht ein dringender Bedarf an stärkerer und bedingungsloser finanzieller Unterstützung für Unternehmen wie unseres, die mit Hürden von traditionellen Investitionsquellen in Deutschland konfrontiert sind."

Torsten Beckers Einblicke deuten auf eine Zukunft hin, in der Nachhaltigkeit nicht nur darauf abzielt, Schaden zu reduzieren, sondern unsere Ökosysteme durch industrielle Praktiken wiederherzustellen und zu regenerieren. Der Weg ist komplex, aber mit innovativen Führungskräften und Unternehmen wie carbonauten ist eine nachhaltige industrielle Landschaft eine greifbare Zukunft.

Über Torsten Becker

• Geschäftsinhaber von Agentur Becker (1989-2015)
• Diplom in Produktdesign (1985-1989)
• Gründer von Carbonauten (2017)

• Er gründete 2017 zusammen mit Christoph Hiemer carbonauten, um Branchenlösungen für CO2-Emissionen und Kosten anzubieten
• Dazu extrahieren sie dezentral und industriell CO2 aus der Atmosphäre und speichern es dauerhaft in neuartigen NET-Materialien
• Darüber hinaus schaffen sie laut Carbonauten an ihren Standorten weltweit gute, überdurchschnittlich bezahlte und sichere Arbeitsplätze für wirtschaftlich und sozial benachteiligte Menschen.

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